Denken in Korrespondenzen

Dr. Andrea Klier, HfbK Hamburg

Das Lerchen_feld berichtet von Zeit zu Zeit über den künstlerischen Werdegang von AbsolventInnen. Anlässlich der Ausstellung von Thomas & Renée Rapedius »falten, schichten, wandeln« im Göttinger Kunstverein während dieses Sommers widmet sich diese Ausgabe den beiden Künstlern.

Beide haben 2004 ihr Studium der Freien Kunst bei Pia Stadtbäumer abgeschlossen. Seither realisierten sie zahlreiche Ausstellungsprojekte im In- und Ausland. Dabei seien sie nach eigenen Worten das Vernetzen nie zielstrebig und bewusst angegangen, vielmehr profitierten sie eher von einer gewissen Offenheit dem Unbekannten gegenüber. Aus diesem Wagemut, so beide, habe sich rückblickend viel entwickelt, was sie so gar nicht erwarten konnten.

2007 nahmen beide nach einem dreimonatigen Stipendiatenaufenthalt in Worpswede an dem Artist-in-Residence-Programm El Basilisco in Avellaneda bei Buenos Aires teil. Der Aufenthalt dort zusammen mit internationalen und einheimischen KünstlerInnen führte in Auseinandersetzung mit den leidenschaftlichen Reisereportagen der Literatin Annemarie Schwarzenbach (1908 – 1942) und der lebensreformerischen Künstlerkolonie »Monte Verità« zu einer intensiven Beschäftigung mit kollektiven Wohn- und Lebensformen wie mit dem Thema Reisen. In Avellaneda begannen Thomas & Renée Rapedius auch mit der Arbeit »Monte Vera«, die noch im selben Jahr in New York in der Klaus von Nichtssagend Gallery gezeigt wurde.

Die Installation stellt einen Gebirgszug aus ineinandergeschichteten Skizzenpapierrollen vor, deren Kanten im Lineament bizarr verlaufender Fels- und Bergrücken geschnitten sind. Die Illusion eines Gebirgsmassivs wird aufgerufen und sofort durchkreuzt, zu evident ist die Fragilität der Papierkonstruktion durch Licht und Schattenspiel auf ihrer Oberfläche, auch finden sich dort zarte Bleistiftzeichnungen, die von anderen Landschaften, Palmen, Bergen, auch Gebäuden und Vögeln erzählen. Sie bleiben kryptische Aufzeichnungen, die auf Reiseerinnerungen zurückgehen oder auch der Fantasie entsprungen sein mögen. Um diesen Geschichten nachgehen zu können, muss der Betrachter jedoch den distanzierten Blick zugunsten einer Nahsicht aufgeben und um die Installation herumgehen. Bei der Dechiffrierung der Zeichnungen ist der Betrachter auf die eigene Imagination angewiesen. Ebenso scharf wie die geschnittene Kontur zwischen Fläche und Volumen, zwischen Kultur und Natur trennt, werden hier innen und außen voneinander geschieden. Auch ein »Monte Vera« will immer wieder aufs Neue erobert sein.

Dem Wechsel zwischen Fern- und Nahsicht entspricht derjenige vom vertikalen zum horizontalen Bild, wie ihn bei Thomas & Renée Rapedius das Aufstellen des Skizzenpapiers zur Illusion einer plastischen Berggruppe markiert. Der Kunsthistoriker Leo Steinberg hat diesen Wechsel einmal als einen vom Darstellungs- zum Handlungsraum bezeichnet, die bemalte Fläche simuliert keinen Tiefenraum, sondern verweist auf das Machen des Bildes, auf die operationalen Prozesse.

Das Changieren zwischen Volumen, Linie und Fläche zwischen Illusion und Konstruktion kennzeichnet die Arbeiten von Thomas & Renée Rapedius. Die Ausstellung in Göttingen zeigt Installationen und Objekte aus Alltagsmaterialien ebenso wie Zeichnungen und Fotografien. Sie veranschaulicht ein Denken in Korrespondenzen und verbindet geistreich plastische Formen, figurative Abbilder mit Silhouetten und Linien. Eine Assoziation folgt der nächsten, alles scheint mit allem verknüpft. Aus ineinandergeschachtelten Kartons geformte Palmen oder aus Pappbechern zusammengesteckte molluskenhafte Fangarme verweisen gleichermaßen auf die industriellen Produkte, wie sie in ihrer repetitiven Anordnung eine Nähe zu Naturformen herstellen, die, obgleich klar strukturiert, aus der Kontrolle und jederzeit aus der Form zu geraten drohen. Dabei zeichnen alle Objekte eine ästhetisch Präzision wie einen auf elementare Formen reduzierten Aufbau aus.

Anlässlich der Göttinger Ausstellung ist ein bemerkenswertes, von der Stiftung Kunstfonds gefördertes Katalog- Buch erschienen. Mit bestechender Klarheit dokumentieren Thomas & Renée Rapedius darin ihre Arbeiten. Zugleich reflektieren sie über die intelligente Mischung von Ausstellungsansichten und Inszenierungen einzelner Werke die eigene Arbeitsweise.