Stephanie Bunk, Griffelkunst Verein Hamburg
Schwarze Fäden ziehen sich von oben in das weiße Blatt hinein. Sind es Fasern oder Haare – gar Tentakeln? Oder folgt man einem Flusslauf, einem Irrweg, den Wurzeln einer seltenen Pflanze? Thomas & Renée Rapedius finden ihre Formen durch genaue Beobachtung der Natur, wobei sie Natur immer schon als kulturell geprägt verstehen. So interessieren sie etwa Botanische Gärten, die sie auf der ganzen Welt besuchen. Auch ritualisierte Handlungen, Schmuck und Tänze fließen in ihre Erfassung der Umwelt mit ein. Das Sehen und Erleben vor Ort ist für ihre Arbeit sehr wichtig. Gerade waren sie in Japan, wobei ihre Kunst in ihrer Reduktion ohnehin an japanische Ausdrucksformen erinnert: sie ist minimalistisch und silhouettenhaft, dabei auch verspielt und erzählerisch.
Ihre Beobachtungen halten Thomas & Renée Rapedius zunächst in Zeichnungen und Photographien fest, die sie dann in ihrem Atelier weiterverarbeiten. Aus der Vielzahl der verschiedenen Formen leiten sie einen Grundstock an ästhetischen Mustern und Figuren ab, die sie versatzstückhaft neu zusammenführen zu einer Art universellen, bildhaften Sprache. Dabei gehen sie keinesfalls nüchtern oder ordnend vor, sondern assoziativ, die eigene Ordnung immer wieder auflösend, indem sie neue Zusammenhänge zwischen disparaten Formen suchen. Ein Spiel mit Materialien entwickelt sich, die wiederum Einfluss nehmen auf die jeweilige Form. So wie die Fäden mal aus losen Papierfasern, die sich frei bewegen, und aus Rissen im Glas entstehen, deren Schatten dreidimensionale Strukturen erscheinen lassen. Oder durch Tusche auf einem Lithostein.
Das Papier ist ihr liebstes Material: sei es das einfache, weiße – jedoch nicht hochweiße – Blatt Papier als Grundlage für Zeichnungen mit Filzstift, oder seien es aufgefächerte Skizzenbücher, Pappbecher, durch Faltung entstandene Objekte in Form von Pflanzen oder Naturerscheinungen. Formen erscheinen durch das Weglassen, die Reduktion und durch den Austausch der Materialien wie der Materialität. Die Faltung des Papiers spielt eine große Rolle im Werk der beiden Künstler und kann als Sinnbild ihrer Auseinandersetzung mit dem Material gesehen werden: erst durch das Auseinanderziehen bekommt das Papier Volumen und wird vom bloßen Blatt zu einem Körper. Schweres wird durch Leichtes ersetzt, Leere durch Raum. Das siebte Blatt der Edition ist ein Wandobjekt, das durch Faltung entsteht: spiegelnde Folie wird so gefaltet, dass sie die Form einer Diamanthälfte annimmt. An der Wand angebracht, scheint dieses wie ein Baumpilz aus ihr heraus zu wachsen. Die Farbe Weiß des Papiers und das Schwarz des Filzstiftes ziehen sich wie ein roter Faden durch das Werk und finden sich auch in der Verwendung von Schwarzweiß-Photographien und Photokopien wieder. In der Reduzierung auf Schwarz und Weiß, auf Fläche und Raum scheinen die Arbeiten von Thomas & Renée Rapedius geradezu prädestiniert für die Umsetzung in die Druckgraphik zu sein. Nach Versuchen mit Holzschnitt haben die beiden die Lithographie für sich entdeckt – und die Farbe!