Stephanie Seidel, Kuratorin
Thomas und Renée Rapedius (geb. 1975 und 1973) zeigen in ihrer zweiten Einzelausstellung in der Galerie Conradi Objekte, Zeichnungen und Fotoarbeiten, die zwischen 2012 und 2013 entstanden sind und die bis Januar im Museum Morsbroich in Leverkusen zu sehen waren. Ihre Installationen verweisen zwar auf Formen der Natur, auf Landschaften als Ansammlung von Zeichen und Symbolen; herausgelöst aus dem angestammten Kontext ergeben sich jedoch neue Perspektiven. Ähnlichkeiten und Differenzen von Formen und Strukturen werden offenbar, verlassen gewohnte Sehmuster und ergeben neue Blickwinkel. Das in Berlin lebenden Künstler Künstlerduo befasst sich insbesondere im Rahmen von Reisen mit Formen und Strukturen, die sich trotz räumlicher, kultureller oder zeitlicher Distanzen wiederholen und ein Vokabular archetypischer Formen, ästhetischer ‚Ur-Figuren’ darstellen und die Grundlage für assoziative Systeme bilden. Dabei geht es nicht um eine enzyklopädische Festlegung, sondern um einen fortwährenden Prozess der Wandlung und des Weiterspinnens von einer Form zur nächsten. Die Arbeiten von Rapedius kehren den ‚Gestalteffekt’, mit dem die Psychologie das visuelle und kognitive Erkennen der Umwelt beschreibt, um. Es wird nicht aus Fragmenten eine ‚Gestalt’ generiert und damit ‚verdinglicht’, sondern vielmehr verfremden sich die auf den ersten Blick bekannten Formen bei längerem Hinschauen.
Ausgangspunkt für alle Arbeiten ist die Beobachtung; die sichtbaren Formungen der Umwelt bilden einen Schwerpunkt des Interesses. Die Objekte, Zeichnungen und Fotografien changieren zwischen Volumen, Linie, Fläche, Illusion und Konstruktion. Die unterschiedlichen Fragmente scheinen temporär drapiert, nur für den Moment im Raum positioniert, so als könnten sich jederzeit Verschiebungen und damit völlig neue Konstellationen und Blickwinkel ergeben. Das Ephemere – nicht das Monumentale – dominiert die Arbeiten. Sie sind viel- und mehrdeutig und komplettieren sich in der Rezeption durch den Betrachter und dessen Assoziationen, der die einzelnen Teile zu einer Erzählung zusammenfügt.
Im Mittelpunkt der Ausstellung in der Galerie Conradi steht die dynamische Form im Moment ihres Entstehens und Begreifens; Bewegung als fragiler wie ephemerer Zustand. Die Oberfläche eines Meeres scheint opak und suggeriert zugleich Tiefe. Formen, die ein Energiepotenzial entfalten. Skulpturen und Objekte haben eine vertikale Dynamik, versinnbildlichen Bewegung von unten nach oben und umgekehrt. Weiterhin entfalten die Garnspulen ein Spannungsverhältnis von Boden und Decke, das zugleich zusammendrückend und aufsprengend wirkt. Darüber hinaus ist das Garn auf der Spule, in unterschiedlicher Farbigkeit, eingefrorene Bewegung, eine zusätzliche Rotation um die eigene Achse. Zwischen Form und Bewegung entfaltet sich schließlich ein fragiles Gleichgewicht, eine bereits in Auflösung begriffene Präsenz. Jeder Bewegung wohnt eine eigene Zeitlichkeit inne, die temporär in der Schwebe verbleibt. Der Moment, eine mäandernde Bewegung, ist die Präsenz der Objekte im Jetzt, die nicht auf etwas außerhalb ihrer selbst verweist, sondern für sich steht und davon ausgehend Assoziationen erlaubt.